Ein Blick auf unsere Karte führt bei vielen Leserinnen und Lesern zunächst einmal zu einer gewissen Verwirrung. Thüringen und Sachsen sind die beiden Bundesländer mit den prozentual zur Gesamtbevölkerung wenigsten Sozialhilfeempfänger und -empfängerinnen. Das führt bei manchem Westdeutschen zu starkem Grübeln, werden doch die schönsten Vorurteile in ihren Grundfesten erschüttert. Selbst Mecklenburg-Vorpommern, abgesehen von den touristisch geprägten Küstenregionen eher strukturschwach, verzeichnet weniger Sozialhilfebegünstigte als Hessen. Hamburg und Bremen sind die Spitzenreiter, wobei mit Hamburg ein fast schon zynischer Sachverhalt greift. Hamburg nimmt nicht nur bei der Sozialhilfe den ersten Platz in der Republik ein, Hamburg weist auch die höchste Anzahl an Einkommensmillionären in Deutschland auf. Es liegt auf der Hand, dass Bayern und Baden-Württemberg auf den hinteren Rängen agieren, ausreichend Arbeitsplätze und gute Infrastruktur dürften die Gründe sein. Berlin auf Platz zwei verwundert auch nicht, das Sammelbecken Deutschlands zieht auch viele Menschen an, die im Berufsleben keinen Fuß (mehr) fassen können. Aber schauen wir einmal hinter die Grafik, was diese Zahlen noch aussagen.
Altersarmut als Thema – die Zahlen belegen es
Destatis weist für jeden Monat des Jahres die Zahl der Sozialhilfeempfänger und -empfängerinnen nach Alter, Geschlecht und Bundesland aus. Im September 2024 gab es deutschlandweit 1.253.845 Begünstigte. Davon waren 615.200 männlich und 538.645 weiblich. Warum Frauen in der Überzahl sind, wird aufgrund der nächsten Zahlen deutlich. Weit über die Hälfte der Begünstigten, 730.305, waren Frauen. Ohne eine Aufstockungs- oder Grundrente würden sie unter dem Lebenshaltungsminimum liegen. Es ist hinlänglich bekannt, dass Frauen, gerade in Westdeutschland, geringere Renten beziehen als Männer. Die Gründe dafür werden auch immer wieder diskutiert: Care-Tätigkeiten, die die Berufsausübung einschränken, Gender-pay Gap und ein deutlich höherer Anteil an Teilzeittätigkeit oder Minijobs sind die häufigsten Gründe.
Wie kommen die Zahlen zustande?
Die Zeitung “Die Welt” hat im Oktober 2024 am Beispiel Hamburg einmal die Zahlen der Begünstigten, die oft willkürlich und ohne Erläuterung in den Raum gestellt werden, im Zusammenhang mit dem Thema “Arbeitsverweigerung” analysiert. Im Berichtszeitraum bezogen in Hamburg 198.714 Bürgergeld. Laut der Agentur für Arbeit waren von dieser Personengruppe aber nur 137.796 Menschen im erwerbsfähigen Alter. Bei der Differenz von 60.918 Personen handelte es sich in den meisten Fällen um Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre und um Menschen mit einer Erwerbsminderungsrente unter dem Sozialhilfeniveau mit Anspruch auf Aufstockung.
Spannend wird es bei der Verteilung der Empfänger im Hinblick auf die Staatsbürgerschaft. Der Anteil der Hamburger Einwohner im September 2024 mit ausländischem Pass betrug 20,7 Prozent. Bei den Begünstigten für Sozialleistung machten ausländische Staatsbürger allerdings 49,8 Prozent, gerundet die Hälfte, aus. Die Erläuterung dafür liegt in der Sprachbarriere, die vielen Menschen den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit verwehrt, so die örtliche Arbeitsagentur damals.
Welche Prognose gibt es in Bezug auf die Entwicklung der Sozialhilfe?
In der Zeit zwischen 2010 und 2023 pendelten die Leistungen immer um die Marke von 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (Quelle: BMfAS).
Allerdings steht der Renteneintritt des größten Teils der Boomer-Generation noch bevor. Je nach dem, wie hier die Alterssicherung in der Masse ausfällt, kann die Zahl der Bezieher und Bezieherinnen einer Grundrente noch drastisch ansteigen. Über alle anderen Faktoren wie mögliche Rezession durch die US-Handelspolitik, Zuzug aus dem Ausland aufgrund von Kriegen oder Hungerkatastrophen lässt sich zum Zeitpunkt April 2025 keine Aussage treffen.