Eine gesellschaftliche Analyse hinsichtlich der Verteilung der Straftaten zwischen Männern und Frauen bringt zwei Sachverhalte zu Tage, die sich seit Jahren kaum sichtbar verändert haben. Zum einen liegt der weibliche Anteil an der Bevölkerung konstant bei leicht über 50 Prozent. Zum anderen bewegt sich der Anteil der weiblichen Tatverdächtigen bei kriminellen Delikten schon seit vielen Jahren in einer Bandbreite zwischen 20 und 26 Prozent, allerdings mit leicht steigender Tendenz. Noch drastischer ist die Diskrepanz bei der Inhaftierung. Lediglich fünf Prozent der in Haft befindlichen Personen sind Frauen (Quelle: jva-fuer-frauen). Es stellt sich bei diesen Zahlen die Frage, warum der Anteil der Straftäterinnen so gering ausfällt. Wirkliche belastbare Ergebnisse gibt es nicht, lediglich soziologische und psychologische Deutungsversuche. Die Zahlen in der Grafik sind selbsterklärend, wir wollen uns den Hintergründen widmen.
Warum dominieren Frauen bei manchen Straftaten dennoch deutlich?
Man kann sagen, dass Prostitution eine typisch weibliche Domäne ist. Allerdings muss man hier auch einen gesellschaftlichen Aspekt, patriarchalische Strukturen, berücksichtigen.
Zwangsprostitution nach erfolgtem Menschenhandel ist ein Ressort, welches als Männerdomäne gilt. Wir müssen in diesem Fall zwischen “freiwilliger” Prostitution auf der einen Seite und Zwangsprostitution auf der anderen Seite unterscheiden.
Auch wenn unsere Grafik Menschenhandel, also Menschenraub, Entzug Minderjähriger und Kinderhandel ebenfalls als weiblich dominiert ausweist, liegt die Ursache für die hohe Frauenquote wohl im Fall des Entzuges Minderjähriger. Hier sind Mütter, die nach dem Entzug des Sorgerechts ihre Kinder rechtswidrig zurückholen, Auslöser für die vergleichsweise hohe Zahl.
Klassischer Menschenhandel fällt in den Bereich der organisierten Kriminalität, ein fast zu 100 Prozent männlich dominiertes Betätigungsfeld.
Die Gründe für eine Vortäuschung einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung lassen sich nur schwer erklären. Ein bayerischer Rechtsanwalt verweist in diesem Kontext auf eine Studie aus Bayern, der zufolge über elf Prozent der Frauen auf Mitleid und Kenntnisnahme durch die Umwelt hofften (Quelle: RA Odebralski).
Die hohe Quote an Straftäterinnen im medizinischen Bereich lässt sich vielleicht anhand der Beschäftigtenzahl erläutern. Immerhin sind 80 Prozent der dort Tätigen weiblich.
Vor dem Hintergrund, dass Kindererziehung und Betreuung nach wie vor in den meisten Fällen Sache der Mütter ist, verwundert es nicht, dass der Anteil der Täterinnen bei der Vernachlässigung der Kinder sehr hoch ausfällt.
Beschaffungskriminalität – deutliche Unterschiede beim Vorgehen
Das Thema Beschaffungskriminalität bei Drogenabhängigen bietet allerdings einen hervorragenden Ansatz für geschlechtsspezifisches Verhalten. Männer tendieren zu Diebstahl oder Raub, klassisch sind dabei aufgebrochene Autos oder eingeschlagene Schaufensterscheiben. Weibliche Drogenabhängige dagegen fallen in die Beschaffungsprostitution, ebenfalls als Delikt eingestuft, allerdings, von deren Seite aus, gewaltfrei.
Deutungsversuche schon seit dem 19. Jahrhundert
Der italienische Gerichtsmediziner Cesare Lombroso postulierte bereits im Jahr 1891 die sogenannte “Gleichverteilungsthese”. Erste These war die Prostitutionstheorie, die besagte, dass Frauen, die zur Prostitution neigen, auch als Verbrecherinnen agieren. Damit versuchte er zu belegen, dass Frauen genauso kriminell veranlagt seien wie Männer, aber durch die angeborene Falschheit des weiblichen Geschlechts dies besser kaschieren könnten. Dieser These, in keiner Weise belegt, wurde bis zum Jahr 1975 auch in Deutschland vertreten. Als weiterer Punkt käme auch der bei Frauen eher vorhandenen Hang zur Ordnung, der aus der ruhenden Eizelle resultiert, wohingegen Männer durch die beweglichen Spermien geprägt seien. Eine weitere Gleichverteilungsannahme geht davon aus, dass die männlich dominierte Strafverfolgung und Justiz bei Frauen eher nachsichtig agiere, die sogenannte Kavaliersthese (Quelle: Wikipedia).
Der Gipfel dieser kruden Theorien war die Annahme, dass Frauen während ihrer Menstruation geistig so verwirrt seien, dass sie wahllos stehlen würden (Quelle: Süddeutsche Zeitung).
Angewandte Kriminologie liefert fundiertere Aussagen
Die erhobenen Daten der angewandten Kriminologie basieren nicht auf Statistiken, sondern auf Einzelfallanalysen. Diese zusammengetragen, lassen in der Summe Rückschlüsse auf die Ursachen für Straftaten schließen.
Für den größten Teil der Proband*innen galt, dass sie bereits in der Kindheit und Jugend zu starken Auffälligkeiten neigten. Diese resultieren aus oder führten zu Problemen im Elternhaus, gefolgt von einer überdurchschnittlichen frühen Abnabelung. Als besonderes Merkmal bei Frauen wird der Verlust der Ausübung sozialer Verantwortung einschließlich der Verwahrlosung der Kinder gesehen. Analog zur Straffälligkeit bei Männern gilt auch der Verlust einer “Ordnung im Leben” als Auslöser für Straftaten. Zu diesen Ordnungskriterien zählen beispielsweise eine feste Partnerschaft oder ein Arbeitsplatz. Der Verlust von einem dieser Dinge führt in der Regel zu einem wirtschaftlichen Abschwung der Betroffenen, der wiederum durch Straftaten kompensiert werden soll (Quelle: Petra Fischer-Jehle: Frauen im Strafvollzug).
Werden Frauen künftig stärker straffällig?
Die US-amerikanische Kriminologin Freda Adler begründete 1974 die These, dass mit der Emanzipationsbewegung auch die Kriminalitätsrate bei Frauen steigen würde. Die Angleichung der Geschlechterrollen würde sich auch in diesem Segment zeigen. Als Beleg verwies sie auf die steigende Anzahl von Straftaten bei weiblichen Jugendlichen (Quelle: Freda Adler: Sisters in crime. The rise of the new female criminal). Der These steht allerdings die Tatsache gegenüber, dass weibliche Kriminalität im 18. und 19. Jahrhundert deutlich höher lag.